Tuesday, July 31, 2007

No Violence, nowhere!

Liebe Leser und Leserinnen,

ich war aufgrund meines Presseausweises über die Absperrung hinweg gekommen und hatte die Möglichkeit die jungen Rechtsgerichteten zu mustern. Es ist eine Tatsache, dass sich diese von den Linkautonomen bzw. von HC- Punkfans kleidungstechnisch nur noch geringfügig unterscheiden. Auf kultureller Ebene scheint es einen Ruck von rechts nach links oder von links nach rechts gegeben zu haben. „Linke“ Extremisten zeigen die Gewaltbereitschaft, die man dem rechten Ende zuschreibt- und die Rechten würden in einer Horde von Antifaschistinnen nicht mehr auffallen. Es ist an der Zeit, dass man „linke“ Werte überdenkt bzw. sie so definiert, dass sie faschistisches Gedankengut automatisch ausschließen.
Es stellt sich die Frage, wie weit gefächert das linke Spektrum tatsächlich ist.
Die politische Punkszene muss sich bundesweite konsequenter abgrenzen, wenn sie nicht weiterhin unterwandert werden will.
Ich wünsche mir, dass Ihr Euch etwas Zeit nehmt und zur Diskussion beitragen werdet.

Im Folgenden schildere ich meine Eindrücke vom Naziaufmarsch:
Der kahl- rasierte Springerstiefel, Polohemd/Hosenträger- Stereotyp war definitiv in der Minderheit und scheint am Aussterben zu sein. Es sind eher schwarz gekleidete, nietengürtel- und baggyhosentragende Personen dort umhergebummelt. Viele trugen Buttons, schwarze Sonnenbrille, Palitücher, überzogene Kapuzen etc. und hatten auch blondierte Haare. Grundsätzlich unterschieden sie sich kaum von den Leuten, die sich zur Antifa hinzugesellt hatten und mit Flaggen und tendenzielle dunkler Kleidungsmontur durch den Anlagenseepark schlenderten oder rannten. Der Unterschied zwischen den Stereotypen (links-autonom vs. jung nationalistisch) liegt fast nur noch im Detail( good night white pride vs. good night left side)
Manche Demonstranten trugen unscheinbare, lässige Kleidung und sahen sehr schlicht aus.
Es gab wohl auch die Situation, dass ein Rechter eine Glasflasche auf eine Polizeibeamten warf. Später des Tages wurde auch eine Rauchbombe gezündet. Es gab körperverletztende Zwischenfälle zwischen linksautonomen Demonstranten und Polizisten. Aber, auch die Rechten haben von Polizeibeamten Schläge kassiert. Sie wurden teilweise in RT niedergeknüppelt. Als "linksmarkierte" Sendungsmachende habe ich sehr gut behütet gefühlt. Die Beamten waren hilfsbereit und neutral. Es lag allerdings sehr viel Spannung in der Luft. Ich wurde von der BW Bank bis zu Jacques Weindepot eskortiert. Ich durfte mich in der Nähe der Rechten so lange aufhalten, wie ich wollte. Irgendwann sind die Rechten in mehrere Züge eingestiegen und sie entzogen sich meinen Blicken. Ich wurde nicht von Ihnen angeblögt. Ich habe mich auch deutlich als friedselig markiert, weil ich „no violence/Stopp violence“ mit einem Marker auf meine Arme gemalt hatte. In Hechingen durften die Rechtsradikalen eine Kundgebung halten. Dort kam ich mit dem WW Ausweis nicht weiter, die Pressestelle in Tübingen hatte keine direkte Verbindung nach dorthin. Ich schätze, dass man Ihnen die Freiheit gegeben hat, weil die Beamten nicht rechtzeitig alle nach Hechingen fahren konnten. Es gab einige Beamtengruppen (einige im Robocopanzug), die sich in der Schellingstraße sammelten. „Anscheinend“ sollte dort verhindert werden, dass eine Horde Gegendemonstranten den Rechten hinterherfahren konnten. Dies ist ein typisches Beispiel dafür, dass man radikalen Gruppen Freiheiten gibt—damit sie eventuell nicht noch gefährlicher werden. Ja, damit sie sogar im Idealfall Ihren Schneid verlieren. Ich schätze auch, dass man in Tübingen gewaltvolle Ausschreitungen in Hechingen verhindern wollte. Ein Beamter meinte, die Rechten seien so unberechenbar wie eine Naturkatastrophe. Man wisse einfach nicht was komme. Es muss auch hinzuerwähnt werden, dass in Hechingen nur vergleichsweise wenige Nazis versammelt waren. Es war nur eine Splittergruppe der 230 Faschisten und Faschistinnen.

Auf kultureller Ebene haben die Rechtsextremen viele Hürden schlichtweg überrannt. Neofaschisten haben nun auch schon "emanzipierte" Freundinnen( es gibt aber auch viele Frauen, die aus den nationale befreiten Zonen abhauen- viele Nazigruppierungen lassen keine Frauen an die Führungspositionen), sie hören Musik die wie Punkrock klingt aber mit Punk nichts mehr zu tun hat, schreiben Zines und haben kleine Plattenlabels, manche sind „straight- edge“ und setzten sich für Tierrechte ein. Dadurch zeigt sich, dass diese Themen nicht naturgemäß links sind. Sie wurden eher von linken initiiert. Die Neonazis bedienen sich der Mechanismen mancher extremer Linker. Sie setzten auf Gruppenzugehörigkeit, Dresscodes, lokale Undergrundarbeit und wettern gegen staatliche Autorität( schließlich sind die Polizisten ja tendenzielle nicht die Respektpersonen, die in ihrem Sinne handeln). Das durch das freie Radio wurden auch sehr polizeifeindliche Parolen gespielt und die Nazis haben Tübingen als Bullenstaat bezeichnet. Ich stand nur 2 Meter von den jungen Rechten entfernt. Ich habe mitbekommen, dass die Polizei nicht mit deren Sprüchekloppereien anfangen konnte.

Was ist linke Politik? Ich beschreibe sie in rein normative Gedanken. Sie ist Idealerweise gegen Gewalt und für die Sprache der Worte. Sie setzt sich für Ursachenbekämpfung ein und plädiert für eine Machtvermehrung durch Machtverteilung. Linke Politik setzt sich gegen das versehren von Menschen ein, sie fordert den „Wohlstand“ der Mehrheit der nicht auf Kosten der Unprivilegierten (rechtlich/finanziell/sozial und militärisch) geht. Linke Politik versöhnt eine Vielfalt von ethnischen, ethischen und religiösen Gruppen uns schreibt Konflikte weder Religion noch ethnischen Merkmalen zu. Linke Politik teilt Wasser, fruchtbare Böden und setzt sich für den Erhalt der Umwelt ein. Sie setzt keine Grenzwälle, nur um mehr Macht ausüben zu können. Es gibt ganz klare Punkte, an denen sich links und rechts voneinander unterscheiden lassen.
Linke Politik scheitert, wenn sie sich die Strategien der Rechten aneignet und sich nicht ganz eindeutig davon abzugrenzen lässt. Das sind, nach meinem Verständnis, rechte Maßnahmen: unverhältnismäßige militärische Einsätze,
Folter, Todesstrafe, das Aushöhlen des Rechtsstaates zugunsten der inneren Sicherheit, das Beschneiden der Bürger -und Menschenrechte, das Herfallen über Kulturen die nicht an den eigenen Maßstäben gemessen werden kann, populistische Parolen preschen, Opportunismus und reine Machtpolitik und Einfalt, nationale Egoismen, das Zerstören der Märkte die sich außerhalb der nationalen Grenzen befinden, Handeln im unilateralen isolationistischen Sinne, Krieg.

Linke Politik tendiert oft dazu, so links zu sein, das sie rechts wieder raus kommt. Genau deswegen ist es wichtig, seinen Werten treu zu bleiben. Es ist fragwürdig, wie links die Politik Hugo Chavez ist und wie links Kuba tatsächlich geführt wird. Es ist fraglich wie links die RAF war und wie links gewaltbereite Demonstranten sind. Gewalt ist und bleibt Gewalt. Mahatma Ghandi hat uns das gelehrt: "What difference does it make to the dead, the orphans, and the homeless, whether the mad destruction is wrought under the name of totalitarianism or the holy name of liberty and democracy?"
Beide Gruppen riefen willentlich mehr Überwachung und mehr Repression hervor. Sie spielen konservativ-rechten Kräften einen Ball nach dem anderen zu.

Es ist nicht sinnvoll, struktureller Gewalt mit Gewalt zu begegnen. Kein Individuum, keine Gruppe, kein Verein, keine politisches System lässt einen Angriff ungerächt. Wer Gewaltspiralen durchbrechen will, muss entweder gleichstark order friedfertig sein. Deswegen lassen sich gewalttätige Übergriffe im Namen der Ideologie, egal in welchem Bereich des Machtspektrums man sich befindet, geschrieben hat nicht rechtfertigen.


No Fascism. Nowhere
No Violence. Nowhere

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