Wednesday, June 03, 2009


Send in The Clowns #Trust- Fanzine: 128


“More than music”:

Wie „Send in The Clowns“ die Verknüpfung von Musik und Gegenkultur aufrechterhalten.

„Send In The Clowns“ organisieren nun schon seit gut 3 Jahren Konzerte in Tübingen. Was die Gruppe äußerst interessant macht, ist die Tatsache dass sie es schafft ihren Werten treu zu bleiben und deswegen authentisch und glaubwürdig ist. Die jungen Leute haben nämlich tatsächlich ein Faible für unabhängige Fanzines, wollen die finanziell Schwächeren wirklich nicht auf ihren Konzerten missen, sind teilweise konsequent straight- edge oder vegan, leben größtenteils in selbstverwalteten Wohnprojekten, organisieren Punk- Lesungen und Vorträge, zeigen sozialkritische und gegenkulturelle Undergroundfilme, waren schon zu gast beim freien Radio Wüste-Welle und leben, leben, leben Punk.

Send In The Cowns sind:
Anwesend:
Dirk, 28, Student
Thomas, 24, Student
Hannes, 28, kein Student
Anne, 20, Studentin
Anke, 27, Studentin
Kai, 26, kein Student

Der Name „Send in The Clowns“ könnte aus dem Vaudeville Theater stammen, in dem der Befehl “Send in The Clowns” immer dann zu hören ist, wenn Pannen auftreten. Eine andere Möglichkeit wäre das Musical: „A Little Night Music“, in dem der Charakter, der diese Strophe immer und immer wieder singt die Unwägbarkeiten des eignen Lebens beklagt.


Kai: Das war ein Songtitel; von Frank Sinatra. Der Name wurde aus einer Reihe von Vorschlägen ausgewählt, die wir über die Zeitspanne von einer Woche gesammelt hatten. „Send In The Clowns“ gefiel uns einfach am besten. Wir dachten das passt ganz gut zu der Idee, dass wir Konzerte organisieren und sich dann Leute auf die Bühne stellen und sich präsentieren.
Anke: Wir wollten einfach was Lustiges oder Ironisches haben. Nicht so was Bierernstes.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Eure Studiengängen und der Konzertgruppe?
Einstimmig: Nein.

Soweit ich das einschätzen kann, seid Ihr ja keine Tübinger Urgesteine. Aus welchen Städten stammt Ihr und welche Erfahrungswerte bringt Ihr von dort mit?

Dirk: Ich stamme ursprünglich aus Nürtingen und hab auch da Konzerte gemacht. Dort hat sich die Szene mittlerweile aufgelöst. Lag daran, dass viele angefangen haben zu studieren und in andere Städte gezogen sind. Bezug ist eigentlich keiner mehr da
Thomas: Ich komm aus einem Kaff bei Villingen-Schwenningen. In Villingen gab es ne kleine Rock n Roll Szene. Tuttlingen hatte halbwegs was mit HC zu tun. So wirklich von Szene konnte man da nie sprechen. Organisatorisch hab ich selber nichts gemacht; es haben die Leute gefehlt mit denen ich hätte was aufziehen können.
Hannes: Ich bin in Dortmund aufgewachsen, wo es ja beispielsweise das Freizeitzentrum West oder das Hirschcaffee als Veranstaltungsort gab/ gibt. Dort fanden immer wieder Konzerte statt. Ich bin dann irgendwann nach HH gezogen, dort ist ja auch viel los und es bestand nicht die Notwendigkeit sich zu engagieren. In Tübingen hat sich das dann durch den Freundeskreis ergeben.
Anne: Ich komme aus dem „schönen“ Metzingen, ein Kaff in der Nähe. Es gab einen Club, in dem Metal-core Veranstaltungen stattfanden. Zum Glück hab ich dort Leute kennen gelernt die mich dann nach Stuttgart mitnahmen. So bin ich dann auch regelmäßig nach Nürtingen gekommen. In Esslingen hab ich ab und zu geholfen beim Kochen, aber mehr auch nicht. In Tübingen dachte ich anfangs, dass hier auch nichts los sei - aber hab mich dann riesig gefreut als ich mitbekommen habe, dass ich mich doch engagieren kann.
Kai: Ich komme aus einem Dorf bei Karlsruhe. Als ich um die 13/14 Jahre als war, gab es dort ne recht große Szene mit vielen Bands, zwei Labels und so weiter. In meinem Nachbarort gab es eine Gruppe von Leuten die regelmäßig HC Punk Veranstaltungen machten. Auch in Karlsruhe gab es eine ziemlich große Hardcoresezene. Das waren die Zeiten, als Karlsruhe als Vorort von New York bezeichnet wurde. Ich bin dort eher als Konsument in die Szene reingerutscht. Die Szene ist mittlerweile relativ geschrumpft. Mittlerweile gibt es ja auch die Ex- Steffi nicht mehr. Ich kannte auch ein paar Leute aus der Steffi (heute: ex- Steffi). Irgendwann hab ich dann selber in 1-2 Bands gespielt und immer mehr Leute kennen gelernt zu denen ich noch heute Kontakt habe. In Ludwigsburg hab ich mich auch engagiert und wohne jetzt seit 4-5 Jahren in Tübingen und habe mit der AFRA meine Erfahrungen gesammelt.


Der Begriff Anti-Faschist Rock Action ist ja des Öfteren hier gefallen. Das war eine Konzertorganisationsgruppe, zu der Ihr Euch ja auch ne ganze Weile dazu gezählt habt. Was bestand für ein Zusammenhang zwischen Antifaschismus und Konzertpreisen?


Es wurde in diesem Kontext der Bogen geschlagen von Antifaschismus zu Anti- Kapitalismus. Wir haben uns darauf geeinigt Konzertpreise zu veranschlagen, die sich dann Leute leisten können die weniger Kohle besitzen. Die Besucher sollte dann für 3 Euros 3 Bands live erleben dürfen, statt für den doppelten Eintrittspreis, (bloß weil die Bands 700 Euros für einen Gig wollen und in einem Hotel pennen möchten). Irgendwann musst Du dann anfangen zu rechnen und dadurch unterwirfst Du Dich den Forderungen der Bands ja auch ein Stück weit.
Anne: Das ist immer so ne Gradwanderung: Ich will auch nicht dass die Bands darunter leiden, wenn sie ihre Ausgaben nicht decken können. Andererseits aber finde ich es auch inakzeptabel, wenn die Besucher nicht auf ein Konzert kommen weil sie es sich schlichtweg nicht leisten können. Wir haben dann auch mal den Versuch gestartet keinen fixen Eintrittspreis zu verlangen. Das hat, entgegen meiner Erwartungen, erstaunlich gut funktioniert. Es gab dann auch Leute die 5 oder 6 Euro gezahlt haben statt den vorgeschlagen 3. Es sind auch Leute aufgetaucht, die haben 3 Euro oder weniger gegeben. Es ging uns ja darum, dass man sich dessen bewusst wird, dass es Leute gibt, denen das Geld nicht so leicht von der Hand geht. Es war uns wichtig ein Modell zu finden, mit dem dann Alle „glücklich“ werden können.
Kai: Der Name „Anti Faschist Rockaction“ wurde eigentlich nie mit etwas gefüllt. Der Titel wurde daher verwendet, weil in Stuttgart eine Gruppe bestand die sich so nannte. Wir haben uns, bei der Namensfindung, als Teil eines Netzwerks gesehen. Es stellt sich aber dennoch die Frage, was dieser Begriff bei Leuten zu suchen hat, die HC Konzerte organisieren, was ja erstmal, zumindest augenscheinlich, nichts mit Antifaschismus zu tun hat—es sei denn man spendet die Kohle an diverse Projekte. Die Grundidee war eigentlich Menschen aus verschieden Szenen, mit verschieden Musikgeschmäckern, zusammen zu führen. Da die Vorstellungen aber dann oft zu weit auseinander lagen, hat sich die Gruppe irgendwann aufgelöst.


Es gibt, meiner Beobachtung nach, eine Vielzahl von Subgenre - die sich, wenn man ein Auge zudrückt, gerade noch unter dem Begriff HC zusammenfassen lassen. Welches Genre bevorzugt ihr?
Hannes: Wir sind definitiv eine Gruppe die sich für die ganzen verschiedenen Spielarten interessiert. Demnach sehen auch die Konzertabende entsprechen bunt durchmischt aus. Wir haben eine Liste von Bands, die wir anmailen. Wir sind dann froh über die Bands, die die Möglichkeit haben vorbei zu kommen. Wir haben eigentlich kein Bock drauf uns auf eine Sache festzulegen. Wir möchten auch nicht als Tourveranstalter aus Tübingen verstanden werden.
Anne: Ich denke auch nicht, dass „Send In The Clowns“ jemals behauptet haben, dass wir nur HC Konzert organisieren. Wir sind von der Zusammensetzung viel zu unterschiedlich.
Anke: Man muss auch dazu sagen, dass sich die Gruppe im Laufe der Zeit verändert hat und dass immer wieder neue Leute, mit neuen Musikgeschmäckern, dazu gekommen sind. Das drückt sich auch in der Auswahl der Bands aus.
Thomas: Wie Du ja meintest: HC ist nur der Oberbegriff. Aber, unsere Gruppe und die Bands müssen keiner rigiden Definition von HC gerecht werden. Wir nehmen alles, was so einigermaßen in den Rahmen passt.


In Stuttgart gibt es die Konzertorganisationsgruppe „Be part of the Scene- No Scenery!“. Woher kommt Eure Motivation selber Veranstaltungen zu machen? Es wäre doch sehr viel bequemer sich einfach ins Auto zu setzten und ab die Post!

Anne: Kein Führerschein. Kein Auto
Kai: Kein Bock auf Crust (lach)
Anne: Ich find die Konzerte schon oft sehr cool, die die anbieten. Ich bin leider ziemlich unmusikalisch und könnte nicht in einer Band spielen, und wenn dann nur in einer sehr, sehr schlechten Band. Konzerte veranstalten ist eben die Möglichkeit da trotzdem was zu machen. Das Organisieren macht, an sich, ja Spaß und man erhält andere Einblicke, als wie wenn man nur konsumiert. Es besteht auch die Möglichkeit die Musiker näher kennen zu lernen. Tübingen ist auch nicht Stuttgart. Das ist schon immer noch ein Stückchen weg.
Dirk: Ich hab die Platte von der Band Guerilla. In einer Textzeile steht zu DIY: „You can step into it and take part or leave it“. Das ist eigentlich schon fast ein Appell aktiv zu werden oder eben zu verschwinden. Das ist auch ein wichtiger Punkt, wenn man über die HC Szene spricht. Der reine Konsum ist fast schon verschrien. Man muss in einer Band dabei sein. Man muss Konzerte machen. Man muss ein Fanzine herausbringen. Man hat ein Label. Man macht Touren. Es gibt so viele Leute, die ich kenne, die irgendwo verstrickt sind. Auch wenn sie „nur“ ein Forum gestalten oder Photos machen. Man macht das eben, weil die Möglichkeit besteht. Es stellt sich die Frage, inwiefern das aus den Leuten selbst heraus kommt. Viele machen das sicherlich, weil es einfach verlangt wird. Das wird oft nicht ausgesprochen, aber es kommt mir dennoch so vor.

Dient das nicht auch um das Netzwerk und diese Form der Kultur aufrecht zu erhalten? Heutzutage hat die Musik oft nicht mehr viel mit der Szene und ihren Werten beziehungsweise der Lebensweise der Fans zu tun.

Kai: Ich würde sagen, dass das zwei Seiten hat. Es gibt den Druck etwas zu machen. Gleichzeit ermöglicht es DIY überhaupt was zu machen. Das liegt daran, dass die Strukturen recht niedrigschwellig sind, auch wenn natürlich viel Codes und Ausschlussmechanismen vorhanden sind. Man hat die Chance da reinzukommen und zu machen, was einen interessiert. Zum Beispiel ein Konzert zu organisieren oder eben in einer Band zu spielen, auch wenn man nicht 10 Jahre lang Gitarrenunterricht hatte. Das ist einfach das Coole an dem DIY Prinzip, trotz der Kritik die oft an der Szene geübt wird.
Anke: Dazu gehört für mich auch, dass man nicht immer woanders hinfährt. Wir sind nun mal alle hier in Tübingen. Manche wohnen in der Schellingstraße (Tübingens größtes selbst-verwaltetes Wohnprojekt) und dort gibt es die Hausbar. Es ist nun mal nahe liegend, hier was zu machen. Man könnte sich auch woanders an eine Gruppe ranhängen. Ich finde es aber einfach wichtig, sich hier den Raum zu nehmen. Ich finde, dass es in Tübingen einfach genug geeignete Räumlichkeiten gibt (Bsp: Epplehaus). Die Strukturen sind ja sehr gut, um etwas zu machen. Man muss es halt auch nutzen.
Bietet ihr auch noch regelmäßig Voküche an?
Hannes: Bei uns ist eigentlich immer etwas da.
Anne: Entweder Vokü oder Kaffee und Kuchen.

Die Idee ist doch dann ganz bestimmt, dass man sich zusammensetzen kann und die Leute nach einem harten Arbeitstag dann auch zu günstigen Preisen etwas zu Beißen bekommen. Oder?

Hannes: Das war jetzt vielleicht etwas übertrieben dargestellt. Wir wollen nicht, dass die Leute, die mit leerem Magen ankommen denken: „Scheiße, jetzt ist nichts zu essen da.“ und auch nicht, dass eben nur die, die einen guten Draht zu den Leuten im Backstage haben einen Teller bekommen wohingegen die anderen sich mit Flüssigbrot abfinden müssen.
Das ist ja interessant; aus dem Hip Hop- bereich kenne ich das persönlich nicht.
Dirk: Die Vokü ist aber auch weder szene- noch länderübergreifend. In den USA gibt es das nicht. Da kannst du als Band schon froh sein, wenn du einen Pennplatz bekommst, Gage gezahlt bekommst, und vor allem was zu Essen hast.
Anne: Durch die Vokü kann man den Eintrittspreis auch variabler gestalten. Man kann den Eintritt niedrig halten und die Leute essen dann eventuell noch was, wenn sie Kohle haben. Wir machen das meistens auf Spendenbasis. Wenn überhaupt, dann sind es sehr wenige Leute die Nichts geben. Damit kann man den Eintritt ausgleichen.
Kai: Ich finde es auch wichtig, das Konzert zu einem sozialen Event zu machen. Wenn ich nach Stuttgart auf ein Konzert fahre, dann komm ich meistens erst um 10 an. In der Regel legt die Band nicht früher los. Davor steht man nur rum und langweilt sich. Das wird durch die Vokü und weil um das Konzert herum was passiert auch aufgehoben. Eben weil man zusammen dort hingehen kann und noch nen Kaffee trinken oder auch zusätzlich einen Film sehen kann. Es ist Raum da um sich auszutauschen und um Netzwerke zu pflegen und sich mit den Künstlern zu unterhalten. Man schafft sich gegenseitig die Möglichkeit vor dem Konzert Zeit miteinander zu verbringen. Wir versuchen auch Zeit mit den Bands zu verbringen, aber oft klappt das nicht weil wir zu viel vorbereiten müssen.
Thomas: Davon abgesehen war die Idee, dass man den Begriff des Konzertes auch erweitert, indem man alle anderen Sachen noch mit reinpackt. Dazu gehören alle möglichen Angebote wie Lesungen, Kaffee und Kuchen, oder ein Quiz etc. Wir wollten unsere Veranstaltungen einfach interessanter gestalten.
Anne: Das macht unsere Konzerte mittlerweile auch aus. Ich habe einmal eine Band aus HH anfragt, die dann wissen wollte ob sie bei uns auch so einen leckeren Kuchen bekommen können. Das ist schon witzig, dass die das dann bereits über 5 Ecken mitbekommen haben. Natürlich steht die Musik im Vordergrund, aber das ist auch ein Mitgrund dafür, warum die Leute gerne kommen. Auch die Nachmittagsveranstaltungen sind besonders angenehm für Leute die extra aus anderen Städten anreisen oder in der Früh rausmüssen. Für die ist es schön, wenn sie bei uns was zu Essen bekommen und spätestens um 12 wieder daheim sind.
Wie sieht Euer Netzwerk aus? Woher kommen Eure Bands und wer ist Eure Labelpartner?
Anke: Vieles läuft über persönliche Beziehungen. Wir sind nicht in ein größeres Netzwerk mit festen Strukturen eingebunden. Unsere Gruppe entstand dadurch, dass sich ganz verschiedene Leute mit verschiedenen Hintergründen zusammengeschlossen haben. Jeder hatte bereits Verbindungen zu bestimmten Schlüsselpersonen. Wir arbeiten einfach über ein informelles Netzwerk und pflegen den Kontakt zu Bands, die schon mal hier gespielt haben.
Thomas: Bei uns läuft auch nicht so viel über Labelpartner. Eher, dass man die Bandmitglieder direkt fragt bzw. sie direkt anschreibt.
Kai: Es bedarf keines formalisierten Netzwerkes. Die Schwelle miteinander in Kontakt zu treten ist recht niedrig. Wenn ich eine Band anschreibe, dann brauch ich kein Label das das für uns klar macht.
Hannes: Es ergeben sich auch Kontakte, indem man die Bandmitglieder näher kennen lernt. Oftmals stellt sich heraus, dass die sich in Zusammenhängen bewegen, von denen Du vorher schon gehört hast. So kommt dann eines zum anderen.

Sind „Send In The Clowns“ in Politstrukturen eingebunden?

Kai: Wir sehen uns auf keinen Fall als Politgruppe.
Thomas: Wir haben alle einen linken Hintergrund. Das beeinflusst auch die Art und Weise wie man Entscheidungen trifft. Wenn jemand eine Band ablehnt, dann wird das eben ausdiskutiert.
Kai: Was wir machen sind zunächst einmal Konzerte und nicht Politik. Ich finde es schwierig sich in diesem Zusammenhang explizit politisch zu äußern. Ich würde zu keinem politischen Thema ne Gruppenmeinung formulieren wollen. Einzelne Mitglieder sind natürlich politisch aktiv, aber das hat nichts mit dem Konzertorganisieren zu tun. Wir haben auch mal ein Konzert mit dem Infoladen gehabt, aber das sind dann persönliche Überschneidungen.

Caro Backes von der Rock Frenzy (Konzertgruppe/ Tübingen) meinte, dass sie sich durchaus vorstellen könnte dass die Antifa ihre Ständchen bei den Veranstaltungen aufstellen dürfte. Der politische Gedanke allerdings drücke sich nur noch im graswurzelartigen Entscheidungssystem aus. Sie sieht die Konzerte auch losgelöst von Politik.

Thomas: Infostände hatten wir bei der Anti-Faschist Rockaction, ab und zu. Es hat sich gezeigt, dass dies aber der falsche Ort dafür ist. Das gleicht verschenkter Liebe. Es kommen immer wieder Besucher, die sich die Heftchen durchblättern und sie dann wieder weglegen. Man sitzt dann stundenlang hinter einem Tisch und kümmert sich um die Auslage. Die Inhalte der Pamphlete interessieren die Leute, in diesen Momenten zumindest, eher peripher. Ein Konzert ist einfach das falsche Setting.
Kai: Alles was Du machst ist politisch, deswegen kann man unsere Konzerte und unsere Arbeitsweise auch als politisch einstufen. Ich meine nur, wenn man sich explizit den Antikapitalismus auf die Fahne schreibt, dann wird es oft ziemlich grausam. Ich habe beobachtet, dass wenn sich Konzertgruppen in der Öffentlichkeit als politisch bezeichnen sie oft eigentlich nur Musikevents veranstalten. Die politischen Statements verkommend dann schnell zu Parolen. Gewisse Vorstellungen, von dem was man gut findet, kann man aber oft in den Texten der Bands wieder kennen. Ich finde nur, man sollte sich dabei nicht überschätzen. Die Punk- und Hardcoreszene ist aus meiner Sicht leider nur sehr wenig politisch. Wenn aus der Szene heraus politische Statements abgegeben werden, merkt man oft, dass es entweder keinen interessiert oder total plump ist. Da denke ich mir manchmal, vielleicht sollte man politische Statements oder Analysen doch in Politgruppen äußern und diskutieren. Nichtsdestotrotz ist natürlich eine trennscharfe Unterscheidung nicht möglich, weil es „unpolitisch“ meiner Meinung nach gar nicht gibt.
Anne: Was man als politisch ansehen könnte, ist dass wir kein Problem damit haben, Leute rauszuschmeißen, die andere angrabschen oder dumm anmachen. Personen mit einem Landser-shirt kommen bei uns garantiert auch nicht rein.
Kai: Wir haben ein Selbstverständnis ausformuliert, das zu Folge hatte, dass wir über bestimmte Themen einfach nicht mehr diskutieren müssen. Ich muss nun wirklich nicht diskutieren, ob ich Faschos auf mein Konzert lasse. Genauso wenig, wie über irgendwelche Mackerdeppen.

Dieser Konsens wurde aufgrund einer Diskussion nach dem Interview formuliert.

SITC:
*Wir verstehen Uns als eine Konzertgruppe, die nach dem Konsensprinzip arbeitet.
In der Gründungszeit der Konzertgruppe haben sich einige von uns sehr viele Gedanken über z.B. die Art und Weise unserer Konzerte gemacht. Konkret heißt das, dass Wir versuchen lokale, selbstverwaltete Strukturen zu nutzen und sie somit bekannt zu machen, bzw. diese mit Leben zu füllen. Für Tübingen bedeutet dies, dass Wir unsere Konzerte hauptsächlich im Epplehaus (Jugendzentrum) oder in der Schelling (selbstverwaltetes Wohnprojekt) machen. So ein Vorgehen ist Unserer Meinung nach schon politisch.
Desweiteren haben Wir Uns in die Problematik des DIY-Begriffs eingelesen und Uns die Köpfe heiß geredet.
Ebenso der Versuch die Eintrittspreise so unkommerziell wie möglich und nötig zu halten. Wir möchten kulturelle Veranstaltungen anbieten, die nicht oder so gut wie nicht ausgrenzen. Wenn dann ein Mensch sich den Eintritt nicht leisten kann, dann wird er/sie halt nicht einfach weggeschickt…
Bei Uns muss auch nicht lange diskutiert werden, wenn auf Unseren Konzerten jemand mit klar erkennbaren Rechten Hintergrund aufläuft. Das geht halt nicht…
Ebenso legen Wir großen Wert darauf, dass sich die Menschen, die zu Unseren Konzerten kommen, wohlfühlen. Das heisst Wir dulden keine sexistische Anmache und wünschen auch keine übel agressiven und dadurch andere ausgrenzenden Tanzstile vor der Bühne.
Wir sind aber keine Gruppe, die darüber hinausgehend inhaltlich oder aktionsmäßig politisch aktiv ist. Aber das machen mehrere aus der Gruppe eh schon in anderen politischen Gruppenzusammenhängen. *

Wie sieht es aus mit Frauenbands?
Anne: Wir haben keine Frauenquote aber legen sehr viel Wert darauf, dass wir Musikerinnen unterstützen. Innerhalb der HC Szene gibt es aber relativ wenige Frauenbands. Ich möchte keine Band nur aufgrund dessen einladen, dass sie ein weibliches Bandmitglied hat, wenn sie mir musikalisch nicht gefällt. Das Geschlecht kann also kein Hauptkriterium sein, aber es ist schon wichtig, ein gewisses Bewusstsein dafür zu haben und auch gezielt Frauenbands anzufragen.
Dirk: Normalerweise stehen in den vorderen Reihen fast nur Männer. Bei „Anthem Red“ standen plötzlich fast nur Frauen in den vorderen Reihen. Dasselbe hat sich bei der Band in Freiburg gezeigt. Daraus ziehe ich den Schluss, dass das einen Unterschied macht, ob Frauen auftreten oder nicht. In anderen Konzertorganisationsgruppen ist der Frauenanteil auch recht gering. Dass Frauen seltener aktiv sind, drückt sich auch in der geringen Anzahl an Bands, Labelinhaberinnen und Fanzineschreiberinnen aus.
Anne: Das kommt immer darauf an, ob man als Frau ernst genommen wird. Wenn einem unterstellt wird man habe kein musikalisches Gehör und findet den Sänger süß (und Frau organisiere deswegen mit), dann habe ich natürlich wenig Lust überhaupt was zu machen. Wenn ich das Thema Sexismus ansprechen kann, und es nicht unter den Teppich gekehrt wird, dann fühle ich mich relativ wohl.

An Weihnachten war ich auf einem Good Ol´ Boys Konzert (Ex- Court Jester´ s Crew). In den vorderen Reihen shakten fast ausschließlich Frauen und insgesamt herrschte dort eine ziemliche „Coolness“. Ich hatte in der Hip Hop-Szene, als Jugendliche, immer das Gefühl dass Frauen nicht denselben Support erhielten wie die Jungs. Entweder wurden sie zu Schmuckstücken oder zu Groupies. Die aktiveren Mädels, die rappten, breakten oder malten haben es nie ins Rampenlicht geschafft. Das hatte sicherlich aber nicht mit Qualitätsauslese zu tun, sondern eher mit fehlenden „fraulichen“ Vorbilden und chronischer Selbstunterschätzung. Eine Riot Grrrl Veranstaltung wäre in diesem Bereich dringen notwendig Die Mädchen sollen endlich selbstbewusster werden, und akzeptieren dass sie eben nicht so viel durch Jungs erreichen können. Es wäre toll, wenn es in Tübingen ein Hip Hoperinnen Netzwerk gäbe, das eigene Veranstaltungen macht.
–„Send In The Clowns“ vielen herzlichen Dank für das Interview–

Bisherige Bands:
Tunguska, Chaos Is Me, June Paik, Mickey Finn, Escapado, American Tourists, Danse Macabre, Ten Volt Schock, The World Inc, The European Translation Of, Song And Dance, Black Shape Of Nexus, Even Worse, Post War Depression, Kurhaus, Kidd, This Bike Is A Pipe Bomb, Blunt, L´ímage 25, North Lincoln

Filme:
The edge Of Quarrel, Suburbia

Lesungen:
Mika Reckinnen (Strafraum Pogo + Mitschreiber von Drachemmädchen),
Klaus N. Frick ( Endpunkt, Ox, Zap),

Vorträge:
Geschichte linksradikaler Folkmusik,
Sexismus in der Punk- und Hardcoresezne.

Punkrock Quiz

Kontakt:
http://www.myspace.com/send_in_the_clowns

Interview/Text: Annabell Weimar

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